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Besser geht’s nicht!
Ich habe es wieder getan. Allen guten Vorsätzen zum Trotz. Nicht nur, dass ich in wenigen Tagen nach langer Zeit mal wieder in ein Flugzeug steigen werde und somit für den Rest des Jahres das Essen und Atmen einstellen müsste, um meinen Fußabdruck auf angemessener Größe zu halten. Nein, schlimmer. Ich habe Rezensionen gelesen. Dabei war ich doch auf einem guten Weg. Ich hatte gelernt, eine künstliche Unvorhersehbarkeit zu schaffen, wenn ich auf Reisen war. Denn was gibt es Schöneres, als überrascht zu werden? Gut, mir würde da doch einiges einfallen. Ein AfD-Verbot zum Beispiel. Oder eine Last Minute-Niederlage von Bayern München. Aber für die freie Meinungsbildung muss man frei von den Urteilen anderer sein. Nein, ich freue mich nicht über Bettwanzen, schlechtes Essen oder unfreundliche Mitarbeitende. Doch nehme ich all das gern in Kauf, wenn ich dafür etwas weniger ausgetretene Pfade begehen kann. Nun wurde ich in einem unangebrachten Anflug von Vorfreude schwach. Ich stürzte mich in das Schlammbad der Online-Bewertungen. Stundenlang, wie im Rausch. Gegen Mitternacht hatte ich erfolgreich das Quartier gebucht. Soweit so gut. Doch man sollte den Tag nicht vor dem Absturz loben. Einmal in Fahrt, erstellte ich mir eine 3D-Karte der umliegenden Gastronomie inklusive Durchschnittsbewertung, Links zur Speisekarte und einem mit KI errechneten Körperhygienewert der Angestellten. Zudem machte ich über Social Media einige Bewertende ausfindig, um dringende Rückfragen zu stellen. Als das erste fahle Morgenlicht ins Zimmer strömte, klappte ich reizüberflutet den Laptop zu und legte mich ins Bett. Am nächsten Morgen stand ich sofort im regen Austausch mit den von mir angeschriebenen Erfahrungsberichtenden. Nach weiteren 48 Stunden hatte ich es geschafft. Ich hatte die perfekte Reise geplant. Was mich umgehend in ein tiefes Loch fallen ließ. Es konnte nur schiefgehen. Meine Erwartungen waren derart hoch, dass es unmöglich war, sie auch nur ansatzweise zu erfüllen. Doch nun war es zu spät. Der Urlaub würde eine unvergessliche Enttäuschung werden. Ablenkung musste her. Zur Aufmunterung zog ich mir ein kleines Bewertungs-Best Of rein. Es lohnte sich. So schrieb zum Beispiel Volker eine Rezension zu seinem Besuch des Reichtags: „Bei der heutigen Kuppelbesichtigung, war, bedingt durch den Schneefall, keine gute Sicht. Dann ist der Schnee auch noch von den Scheiben gerutscht und mir in den Nacken gefallen…“ Immerhin noch 4 von 5 Sternen. Ein Philipp war bei der Bewertung des Neuen Rathauses in Hannover weniger gnädig. „Die Hütte ist voll alt. Eigentlich 0 Sterne wegen Lügen.“ Richtig so, wenn die Umbenennung des Rathauses einfach versäumt wurde, muss mit den Konsequenzen gerechnet werden. Doris S. bewertete ein Restaurant mit 3 Sternen und fügte hinzu: „Noch nicht ausprobiert. Kann´s nicht sagen.“ Mensch Doris! Die Lebensuhr tickt. Schon wieder zwei Minuten verloren. Besonderes Highlight übrigens unter der Rezension von Doris: „12 Kunden empfanden diese Produktbewertung als hilfreich.“ Kannste dir nicht ausdenken. Doch was will man schon erwarten von einer Spezies, deren dritthäufigster Google-Suchbegriff im Jahr 2024 „Google“ war? Und wem sag ich das? Ich habe schließlich zwei Stunden lustige Rezensionen inhaliert. Insgesamt stellt sich natürlich die Frage, wie viel so eine Bewertung überhaupt wert ist, wenn man für positive Rezensionen mit Geschenken und Rabatten überhäuft wird. Noch dazu völlig legal. In meiner kurzen Zeit als Ladeninhaber machte ich mir diese rechtliche Grauzone natürlich zunutze. Einmal kurz hier scannen und bewerten und Sie bekommen diesen lustigen Taschenventilator volley auf die Hand. Oder auch ein paar abgelaufene Katzenzungen, Geleebananen, eine Packung Feuchtis, oder was ich sonst noch im Keller gefunden hatte. Hat funktioniert. Doch ein paar Ausreißer nach unten gab es dann doch. „Alles super! Besser geht’s nicht. Dafür 3 von 5 Sternen“, schrieb David F. nach einem scheinbar unvergesslichen Einzelhandelerlebnis. Danke David! Gerne wieder! „Kuhler Laden, kuhle Preise, nicer Service. Leider bißchen eng“, schrieb Michelle M. und gab wohlwollend 2 von 5 Sternen. Wenn meine Reise nur hoffnungslos scheitern kann, da ein perfekter Plan niemals Realität wird, bleibt mir zumindest eine Inkonstante: das Wetter. Die Vorhersage der Mutter aller Small Talk-Themen werde ich also allein aus sentimentalen Gründen meiden. Sollte ich dann in einen Hagelschauer oder ein Gewitter geraten, werde ich dankbar nach oben schauen, weil ich am Ende doch noch etwas zu erzählen habe. Die Lust am Scheitern ist jedenfalls groß.
3 von 5 Sternen 24.04.2025
Wand in Sicht 17.04.2025

Ich habe Angst. Wobei, vielleicht ist es mehr Ekel. Ich fürchte mich vor Menschen, die in Phrasen sprechen oder dazu neigen, auch das ausgeleiertste Sprichwort als Lebensweisheit zu verkaufen. Wahrscheinlich gibt es dafür einen Fachbegriff, da man mittlerweile für alles ein Etikett oder eine Schublade braucht. Und selbst dieser Fachbegriff würde mich anwidern, denn auch er wäre nur eine Phrase. Wenn jemand Dinge sagt wie „Tja, kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort.“ oder „Ich bin so ein Mensch, der …“, möchte ich wegrennen. Es sind genau die Menschen, die sich selbst als „ein bißchen verrückt“ beschreiben und damit ungewollt ihre schillernde Durchschnittlichkeit offenbaren. Vielleicht ist es genau das, was in mir einen evolutionären Imperativ auslöst – Lauf! Sonst kriegen sie dich auch noch! Zudem ist dieser Vermeidungszwang durchaus anstrengend, wenn man selbst dabei ist, einen verständlichen Satz auszudrücken. Ein Minenfeld, das jedes Wort zur Gefahr macht. Mit dieser Phobie überhaupt etwas zu schreiben ist wohl genauso unsinnig, wie Pilot zu werden, wenn man unter Höhenangst leidet. Oder Chirurgin, wenn man kein Blut sehen kann. Ebenfalls äußerst schwer fiel es mir, Jobs auszuüben, bei denen man mehr oder weniger gezwungen ist in Phrasen zu sprechen. Sätze wie „Mit Karte oder bar?“ oder „Ein schönes Wochenende wünsche ich.“, können schnell zur Qual werden, wenn man krampfhaft versucht neue Worte zu finden. Irgendwann sagt man Dinge wie „Möchten Sie Ihre Rechnung mit der elektronischen Scheckkarte Ihres Geldinstituts begleichen?“ oder „Einen wundervollen sechsten und siebten Wochentag für Sie!“ Ja, es gibt noch deutlich seltsamere, anerkannte Ängste als meine kleine Floskelphobie. Vielleicht sollte ich mich da mal umsehen. Wie wäre es mit Dextrophobie – der Angst vor Dingen auf der rechten Körperhälfte? Wäre mir persönlich ja zu einseitig. Oder Lachanophobie, der Furcht vor Gemüse? Nachvollziehbar – wer hat keine Angst vorm brutalen Trittlauch, der skrupellosen Tätersilie oder der vorbestraften Knastinake? Zum Glück haben die Kohlizei und der Pommesar alles im Griff. Ebenfalls tatsächlich existent ist die Anatidaephobie – die Angst, von einer Ente beobachtet zu werden. Wer kennt es nicht? Auch Cenosillicaphobie, die Angst vor leeren Gläsern scheint in meinem Bekanntenkreis weit verbreitet zu sein. Manch einer trinkt daher nur noch aus Fässern oder Trinkrucksäcken. Besonders grausam: Barophobie – die Angst vor der Schwerkraft. Man kann schließlich nichts dafür wenn man auf dem falschen Planeten geboren wurde. Mein persönlicher Favorit: Hippopotomonstrosesquippedaliophobie, die Furcht vor langen Wörtern. Welch verbitterter Zeitgenosse hat diesen Fachbegriff festgelegt? Sofort Guantanamo! Doch zurück zu meiner persönlichen Phrasenpanik: Es gibt genau ein Szenario, das aus der Angst eine echte Freude macht: Der Versprecher! Bei einem Fauxpas wie „Das Auge isst man schließlich mit.“ oder „Man sieht sich immer einmal im Leben“, geht mir das Herz auf. Ein kurzer Spaziergang, bevor die Wörter wieder in ihren viel zu engen Käfig müssen. Neulich liefen zwei Frauen mittleren Alters an mir vorbei. Sie dürften Antje und Svenja geheißen haben. Beide halb Mensch, halb Thermomix. Folgenden Dialog konnte ich aufschnappen: „So so. Ein Schelm wer Böses denkt. Aber Hochmut kommt vor dem Fall.“ „Aber wirklich. Der Dirk hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank“ „Naja, auf jeden Fall müssen wir beide dringend mal einen Gang runterfahren." „Tja, viele Holzwege führen nach Athen.“ Zack! Gleich drei Sprichwörter durcheinander geschüttelt. Der Tag war gerettet. Der klassische Sprichwort-Versprecher ist die Gicht am Ende des Tunnels. Ein Sahnesteif am Horizont. Eine erfrischende Kloake in der Wüste. Zu wahr um schön zu sein! Als ewiger Selbstzweifler frage ich mich natürlich, ob nicht mehr dahinter steckt. Ist diese Angst vorm Alltäglichen vielleicht doch nur ein Symptom von Neid oder Einsamkeit? Möchte ich insgeheim auch einfach ein Cappuccino-Wandtattoo oder ein RTL+ Abo, wie die Antjes und Dirks dieser Welt? Vielleicht. Womöglich werde ich eines Tages glücklich vor meinem Elektrogrill stehen, ein paar Billigwürste auf das heiße Gitter werfen und dabei völlig ironiefrei ein „Herrlich! Wie Gott in Frankreich!“ in den Vorstadthimmel jauchzen. Doch bevor es soweit ist möchte ich laufen. Egal wohin, Hauptsache man kriegt mich nicht. Wenn ich dabei ein paar Wörter vor dem sicheren Phrasentod bewahren kann, ist es die Mühe wert.

Von starken Frauen und tollen Vätern 4. April 2025
Dieser Text ist zum Scheitern verurteilt. Ich kann nicht mitreden. Ich bin ein Mann und zu allem Überfluss auch noch weiß. Außerdem kann man nichts Lustiges schreiben zu einem Thema, bei dem niemand Spaß versteht. Außer vielleicht ein paar Ingos aus Gelsenkirchen, die lieber gar keinen Spaß verstehen sollten. Doch was soll’s. Gar nicht probieren wäre auch irgendwie doof. Außerdem bin ich ein „toller Vater“. Zumindest höre ich das oft. Was irgendwie in sich schon ein Widerspruch zu sein scheint und deshalb umso erwähnenswerter ist. Ein Oxymoron, genau wie die hochgelobte „starke Frau“. Nein, solange diese Begriffe weiterhin überproportional häufig verwendet werden, sind wir noch Lichtjahre von Gleichberechtigung, Gleichstellung und gleicher Wertschätzung entfernt. Als fürsorgliches, männliches Elternteil möchte ich keinen Applaus. Er ist ebenso unangebracht wie der Applaus für den Easyjet-Piloten, der den ollen Blechvogel sicher auf den Asphalt von Palma de Mallorca setzt (was im Übrigen auch nicht viel schwieriger sein kann, als ein Backblech einzufetten). Wobei ich den Applaus durchaus dankend annehmen würde, wenn ihn jede fürsorgliche Mutter ebenso bekommen würde. Der Terminus „starke Frau“ wirkt noch verrückter, weil rein historisch betracht immer wieder Frauen den Karren aus dem Dreck gezogen haben. Ja, vielleicht waren die größten Genies tatsächlich Männer. Die größten Trottel aber definitiv auch. Mal ganz nüchtern betrachtet schneidet der Mann durchschnittlich sowieso schlechter ab, wenn es um den Nutzen für eine moderne Gesellschaft geht. Ein Großteil aller Straftaten wird weiterhin von Männern begangen und im Straßenverkehr sind es noch immer überwiegend die Herren, die Unruhe und schlechte Laune verbreiten. Rein subjektiv möchte ich noch anmerken, dass die meisten Wahlergebnisse hierzulande nicht ganz so besorgniserregend wären, wenn Männer ab 40 den Gang zur Urne meiden würden. Ein kleiner aber nicht unwesentlicher Teil unserer Gesellschaft fürchtet sich vor Menschen mit Menstruationshintergrund sogar noch mehr, als vor Menschen mit Migrationshintergrund. Warum genau leuchtet mir nicht ein. Ist es doch gerade eine gewisse Nachsichtigkeit, die vom weiblichen Geschlecht ausgeht. Ich zum Beispiel bin beim Gendern gescheitert. Ich habe es probiert, da ich es für eine gute Idee halte. Doch klappt es weiterhin nur selten. Seltsamerweise wurde ich dafür noch nie kritisiert. Ich habe mir vorgenommen, in Zukunft nur noch die weibliche Variante in meiner Alltagssprache zu verwenden. Nicht nur aus ästhetischen Gründen. Auch wenn ich weiß, dass ich damit bestimmte Gesellschaftsgruppen ausschließen würde und womöglich plötzlich kritisiert werden würde. Es wäre einfach etwas natürlicher. Es ist noch keine Meisterin vom Himmel gefallen, doch der Wille ist da. Ist die Zukunft also tatsächlich weiblich? Falls ja – Göttin sei Dank. Es ist unwahrscheinlich, dass viele Köchinnen den Brei verderben. Wenn die Zukunft wirklich weiblich ist, sollten wir Männer uns entspannt zurücklehnen auf unseren Liegerädern. Es gibt nichts zu befürchten. Wir werden sanft integriert und kommen sogar sicherer von A nach B.

Die Ästhetik des Alterns 20. März 2025
Die menschliche Natur ist alles in allem außerordentlich seltsam. Kein Säugetier lässt sich so viel Zeit mit dem Erwachsenwerden. So manches Tierkind steht schon nach wenigen Minuten auf den eigenen Beinen und schaut sich bestenfalls ein paar Skills bei den Großen ab. In anderen Wirbeltierklassen sind die Eltern sowieso nur stumme Verfechter des Arterhalts und legen lediglich pflichtbewusst ihre Eier ab. Es wird geschlüpft und direkt ums nackte Überleben gekämpft. Schon in der Schale scheint man sich akribisch mit Liegestützen und YouTube Tutorials vorbereitet zu haben. Anders sind die ausgefeilten Bewegungskünste einiger Frischgeschlüpfter nicht zu erklären. Wir hingegen bekommen schon Applaus, wenn wir nach einem guten Jahr die ersten wackligen Schritte machen, ohne dabei der Schwerkraft zu erliegen oder es nach etwa fünf Jahren schaffen, uns zum ersten Mal alleine abzutrocknen. Überhaupt wirkt der menschliche Körper mitsamt seiner (Un)Fertigkeiten oft ein wenig undurchdacht. Da hätte sich der Schöpfer oder die Schöpferin vielleicht nochmal eine zweite Meinung einholen sollen. Aber gut. Vielleicht wurde die Zeit bis zur Abgabe des Rohmanuskripts auch einfach knapp oder es gab wichtigere Projekte. Auch mit dem Altern lässt der Mensch sich Zeit. Ab 25 geht es angeblich bergab. Das heißt, wir befinden uns im Schnitt etwa 60 Jahre unseres Lebens auf dem absteigenden Ast. Die große Kunst des Lebens ist es wohl, sich beim Zerfall zuzusehen, ohne den Mut zu verlieren. Also versuche ich es regelmäßig mit Selbsttäuschung. Das klappt erstaunlich gut. Das lichter werdende Haupthaar wurde von mir zunächst über Jahre abgestritten und schließlich als „charismatisch und passend“ eingeordnet. Und dennoch: Nach dem Duschen bearbeite ich meine Schädeldecke mit dem Handtuch so vorsichtig, als hätte sich meine Fontanelle immer noch nicht vollständig geschlossen. Der Entschluss, früher oder später in eine der „Turkish Hairlines“ zu steigen, um der geheimen Geheimratseckenbekämpfung zu frönen, ist im Grunde schon längst gefasst. Auch der unkontrollierte Haarwuchs an bisher ungeahnten Stellen wird irgendwo zwischen männlich und praktisch eingestuft. Nein, es ist nicht männlich, wenn plötzlich mehrere Zentimeter lange, dicke weiße Haare aus den Ohren wachsen. Auch Haare am Rücken oder auf dem kleinen Zeh sind nicht praktisch. Sie wärmen nicht. Sie jucken einfach. Ja, Schönheit kommt tatsächlich von innen. Doch Hässlichkeit definitiv auch. Manch einer freut sich auf das hohe Alter. Den Enkeln und Urenkeln beim Leben zusehen, sich dabei an einer dünnen Tasse Filterkaffee erfreuen und ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte mit den morschen Restzähnen malmen. Angeblich hat jeder Mensch ein Alter, das für ihn am ehesten zum eigenen Charakter passt. Wenn das stimmt, muss mein perfektes Alter schon lange vorbei sein. Vielleicht war es irgendwo zwischen 5 und 7, als ich noch fürs Zähneputzen und Abtrocknen gelobt wurde. Der Gedanke, mir noch weitere 50 Jahre beim Altern zusehen zu müssen, ist tendenziell eher unschön. Doch rede ich mir ein, dass das Altern und Reifen in der Natur ein paar äußerst ästhetische Zustände hervorbringt. So bekommt zum Beispiel eine Banane in ihren letzten Tagen ein faszinierendes Leopardenmuster. Korallenriffe bringen erst im hohen Alter einzigartige Formen und ganz besondere Farbmuster hervor. Bäume entwickeln im Alter spektakuläre Rindenstrukturen und auch nach Jahrhunderten können ihnen noch wunderschöne Kronen wachsen. Wir bekommen Kronen ausschließlich vom Zahnarzt. Apropos: Der letzte Gang zu meiner Zahnärztin glich mehr oder weniger dem Besuch beim Gebrauchtwagenhändler. Während ich meine Zahnpflege ungefragt in den Himmel lobte, um mich für die Dauerbaustelle in meinem Mund zu rechtfertigen, antwortete meine Zahnärztin nur lächelnd: „Tja, Zähne sind in der Regel nicht für mehr als 30-35 Jahre gemacht.“ Wahrscheinlich ist es genau das. Der Wohlstand und das Eliminieren natürlicher Gefahren haben uns ein paar Jahrzehnte Lebenszeit geschenkt. Um diese Zeit einigermaßen würdevoll über die Bühne zu bringen, braucht es schon ein breites Ersatzteillager. Einige haben sich anscheinend das Ziel gesetzt, die Jahrzehnte des Alterns noch weiter in die Länge zu ziehen oder gar endlos zu erweitern. Ewiges Leben – endlich unendlich! In einer Netflix Doku stieß ich vor kurzem auf Bryan Johnson. Ein Milliardär, der es sich zum Lebensziel gemacht hat, das eigene Altern zu stoppen. Sein kompletter Alltag ist darauf ausgelegt, lebensverlängernde Maßnahmen zu ergreifen. Pillenschlucken, Lichtherapien, Muskelstimulationen, optimale Schlafbedingungen … eine nicht endende Liste an geld- und zeitfressenden Tätigkeiten. Nun, ich habe die Doku nicht bis zum Ende geschaut. Dafür war mir meine Restlebenszeit dann doch zu schade. Allerdings scheint die Rechnung recht simpel: Selbst wenn dieser Mensch tatsächlich 130, 140 Jahre oder noch länger leben wird – am Ende wird er den größten Teil seiner Lebenszeit mit der Durchführung lebensverlängernder Tätigkeiten vergeudet haben. Vielleicht bestätigt dieser Mister Johnson auch einfach nur meine Anfangsthese. Der Mensch lässt sich Zeit mit dem Erwachsenwerden. Insbesondere bei den männlichen Vertretern unserer Spezies kann dieser Prozess tatsächlich unendlich sein. Man kauft Lamborghinis, hält sich Königskobras und schaut Formel 1. Oder man versucht eben, nicht zu altern – eine besonders kreative Auflehnung gegen das Erwachsenwerden.
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Einwohnermeldeamt 7. März 2025
Machen wir uns nichts vor: Ein Besuch im Einwohnermeldeamt ist wie der erste spätpubertäre Beischlaf. Nie wirklich schön, aber man muss da durch, wenn man dazugehören will. Dabei sein ist alles. Doch es lohnt sich, lockt die Stadt doch mit allerhand Bevorteilungen für offizielle Umsiedler. Einziger Nachteil: Man muss wohl oder übel einmal persönlich im Rathaus anwesend sein. Verschlafen mache ich mich auf den Weg. Allein das Gebäude, eine Architektursünde der späten 70er Jahre, verheißt nichts Gutes. Am Rande der Innenstadt ragt der rund 70 Meter hohe Minderwertigkeitskomplex empor. Glücklicherweise befindet sich das Einwohnermeldeamt im Erdgeschoss. Was in den übrigen 16 Stockwerken passiert, weiß niemand so genau. Gar nicht erst in den Fahrstuhl steigen! Angeblich verschwinden dort jährlich im Schnitt 30 Menschen auf der Suche nach Mitarbeiterbüros. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher. Also ohne Umwege ab ins Einwohnermeldeamt! Dort geht es zu, wie im Reisezentrum der Deutschen Bahn: Nummer ziehen, warten, zweifeln, leise fluchen, laut fluchen, zum ersten Mal darüber nachdenken, wie man eigentlich bestattet werden möchte, zu fünften Mal die Kacheln an der Decke zählen, und schließlich aufgeben. Alles muss, nichts kann. Gott sei Dank habe ich genug Proviant dabei. Dazu einen prallgefüllter Smartphone-Akku und ein gutes Buch – es besteht Hoffnung. Innovativ, modern und durchdigitalisiert. All das ist das Einwohnermeldeamt nicht. Doch kaum zu glauben, es gibt funktionierendes WLAN. Allerdings nutze ich die Wartezeit, um eine Feldstudie zu erstellen. Zeigt sich der Homo Sapiens in den Einwohnermeldeämtern dieses Landes doch stets von seiner sonderbarsten Seite. Nur hier hört man Sätze wie: „Die Frau Kowalski ist schon im Wochenende“, (an einem Mittwoch) oder „Sie erreichen mich telefonisch während meiner Sprechzeiten am Montag von 11 bis 11:30". Bei so manchem Angestellten fragt man sich, was er denn eigentlich beruflich macht. Der asbestverseuchte Teppich aus den 80ern und die Wolke aus abgestandenem Filterkaffee ergeben einen teuflischen Mix und machen jedem Lehrerzimmer Konkurrenz. Mein Kopf dröhnt. Es lohnt sich wohl, schon Punkt 8 Uhr zu erscheinen – merke ich mir glatt fürs nächste Mal. Allerdings kann es sein, dass man selbst dann schon eine Schlange vor sich hat, da ein paar Übermotivierte die Nacht vorm Gebäude im Biwak verbracht haben. Der erwartbare Ablauf: Erst kommen die Camper, dann werden die Rentner aufgerufen. Nach ihnen Studenten aus Fernost, bei denen die Mitarbeitenden eindrucksvoll ihre lausigen Englischkenntnisse unter Beweis stellen. Als Letztes kommt die Reinigungsfachkraft. Danach komme ich. Immerhin kann ich hier keinen Zug verpassen. Um 16 Uhr verlasse ich das Gebäude. Knapp sieben Stunden habe ich gebraucht. Guter Schnitt! Auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob das Datum noch dasselbe ist. Zu Hause schaue mir die bunte Broschüre an, welche mir die freundliche Mitarbeiterin mit der „Ohne Kaffi kein Schaffi“-Tasse feierlich zur Einbürgerung überreicht hat. 10% Rabatt im hiesigen Hallenbad. Satte 15 % auf eine Monatskarte im Nahverkehr. Sensationelle 20 % bei einem Friseur namens „Verdammt lang Hair“. Ich muss verrückt sein! Am nächsten Tag ist also Me Time angesagt. Während ich mit dem Bus nach dreimaligem Umstieg das Hallenbad erreicht habe, gönne ich mir noch einen Besuch bei „Verdammt lang Hair“ und lasse mir das Haupthaar striegeln. Am Abend rechne ich durch: 0,59 + 4,22 + 5,80 = 10,61 Euro Ich habe durch meinen Heimvorteil 10,61 gespart! Ergibt 1,52 pro Wartestunde im Einwohnermeldeamt. „Schon eine gute Sache“, denke ich, lehne mich zufrieden zurück, fahre mir durchs samtige Haar und genieße den Chlorduft auf meiner Haut. aus „Campusgold“
Es hätte ein freundlicher Oktobernachmittag werden können. Einer, der nochmal kurz vergessen lässt, dass nun fünf Monate Kälte und Dunkelheit bevorstehen. Ich hieve mich leicht verspätet die acht Stufen zum Raum der „Regenbogenkinder“ hoch und frage mich kurz, warum genau ich damals nicht ausgewandert bin. Damals, als noch kein Kind, kein Job, und noch nicht mal die eigene Trägheit mich an dieses Land fesselten. Ich tupfe mir den Schweiß von der Stirn, atme zweimal tief durch und drücke behutsam die Klinke herunter. Ich kannte dieses absurde Spektakel bisher nur vom Hörensagen. Sämtliche Kennenlern-Nachmittage konnte ich erfolgreich umgehen, aber dieser Anblick übertrifft all meine Erwartungen: Auf 18 Quadratmetern sitzen 14 erwachsene Menschen im Kreis, auf Stühlen, so hoch wie Schuhkartons, und lächeln beseelt. In der Mitte ein Tischchen mit allerhand Säften, Dinkelplätzchen und eine statisch ausgefeilte Gläserpyramide. Karin und Birgit, die beiden liebenswerten Erzieherinnen meiner Tochter, sitzen breitbeinig auf einem Gymnastikball und jubeln mir geräuschlos zu. „Nimm dir ein Stühlchen aus der Ecke und setz dich zu uns!“ flüstert Karin, wobei mir nicht ersichtlich wird warum sie eigentlich flüstert. Ein Wind aus Knoblauch und Schweiß steigt mir in die Nase. Ich hole mir einen Zwergenstuhl aus der Ecke, nicht ohne mir gehörig den Kopf am von der Decke hängenden „Wunschbaum“ zu stoßen. Ich frage mich, warum das klappernde Gerüst überhaupt „WunschBAUM“ heißt, wenn es doch von oben kommt. Birgit weist mir einen Platz zu, ich folge der Richtung ihres ausgestreckten Arms, kann dort aber keine freie Stelle entdecken. Schließlich quetsche ich mich irgendwo rein und versuche, eine anatomisch möglich Sitzposition zu finden. „Soooo!“ beginnt Karin ihre tief emotionale Einführungsrede. “Erstmal danke, dass ihr alle da seid ... Macht´s euch gemütlich!“ Ich halte das für einen gelungenen Scherz, eine Anspielung auf unsere nicht artgerechten Sitzgelegenheiten und gluckse anerkennend vor mich hin. Leider bin ich der Einzige und schon spüre ich die verständnislosen Blicke auf mir kleben. Karin findet nach kurzer Irritation ihr Grinsen wieder und beginnt mit einem etwa zwanzigminütigen Resümee der ersten 6 Wochen. Zunächst gelingt es mir noch aufmerksam zuzuhören, schließlich kann meine Tochter mit ihrem eineinhalb Jahren nur bedingt aussagekräftig von ihrem Tagesablauf berichten. Doch als Karin anfängt, detailliert die CO₂-Bilanz und den FairTrade-Faktor des Mittagessens zu rekapitulieren, schalte ich auf Autopilot. Ich mustere die gespannten Gesichter der anderen. Karin und Birgit thronen wie Sektenführerinnen auf ihren Gymnastikbällen. Immer wieder wird Karin durch Birgits Hypnosestimme ergänzt. Die meisten befinden sich in einem Zustand erkenntnisschwangeren Dauernickens. Der Sauerstoff hat sich mittlerweile komplett aus dem Regenbogenraum verabschiedet. Vielleicht war es ihm zu bunt, vielleicht müsste man aber auch einfach mal ein Fenster öffnen. Ich konzentriere mich auf meine Atmung. Ein kalter Schauer kriecht mir in den Nacken. Verglichen mit diesem Gruselkreis sind die Zeugen Jehovas die netten Nachbarn von nebenan! Birgit wünscht sich nun eine offene Diskussion über das „Feng-Shui-Potenzial“ des Raumes. Ich frage mich, wo genau dieser Raum noch Potenzial haben soll, denn mit vierzehn Kindern, zwei Erwachsenen, einem Spielschrank, einem Esstisch und einer Kuschelecke ist er doch schon längst zugeparkt. Das wäre selbst einer zwölfköpfigen Mormonenfamilie auf Dauer nichts. Malte, dem stolzen Papa des kleinen Lorenz, kommt der geniale Einfall einer von der Decke hängenden „Snoozle-Schaukel“. Ich frage mich, wie ein Mann, der das Wort „Snoozle-Schaukel“ in den Mund nimmt, sich jemals fortpflanzen konnte. Haben er und seine Svenja ein Bienchen bestellt? Hat er ein paar Störche solange zugetextet bis diese völlig entnervt irgendwo ein frischgeschlüpftes Menschenkind geklaut und ihm vor die Tür gesetzt haben? Ein Geschlechtsakt scheint zumindest unwahrscheinlich. Vielleicht fehlt mir auch nur die Phantasie. Schon bald hat man sich einstimmig dazu entschlossen, die Kuschelecke in das „Nordwestviertel“ des Raumes zu verlegen, da dort angeblich der „natürliche Ruhepunkt des Menschen“ liegt. Der natürliche Ruhepunkt? Allein die Annahme, dass eine Horde Eineinhalbjähriger einen natürlichen Ruhepunkt hat, ist schon abenteuerlich. Eine Eintagsfliege legt sich ja auch nicht mal eben ein Stündchen hin nach dem Frühstück. Sie würde ja ihre halbe Jugend verschlafen. Werden unsere Kinder nicht einfach solange von Reizen überflutet und vom Bewegungstrieb angetrieben bis ihr Stammhirn irgendwann das Licht ausknipst? Scheinbar nicht. Man braucht dann schon zu gegebener Zeit eine Kuschelecke in Nordwestausrichtung. Dem Inhalt der darauffolgenden Abstimmungen kann ich nicht mehr wirklich folgen. Ich schnappe Wörter wie „Turnfreitag“, „Liedermalbuch“ und „Wunderwandertag“ auf. Instinktiv erkenne ich, dass es sich lohnt einfach jedes Mal die Hand zu heben, sowie es die anderen tun. Nur nicht auffallen! Auch bei der letzten Abstimmung hebe ich sofort die Hand nachdem ich Maltes Arm in die Höhe schnellen sehe. Seltsamerweise sind wir die Einzigen. Man schaut uns entgeistert an. Gespenstische Ruhe herrscht im Regenbogenraum. „Sonst keiner?“, fragt Birgit verschwörerisch. „Dann kann ich mich nur bedanken und gratulieren!“, legt sie nach. Applaus brandet auf. Was ist passiert? Ich falle aus meiner selbst auferlegten Wunschbaum-Trance. Soeben wurde ich mit Malte zum Elternsprecher der Regenbogengruppe gekürt! Da Malte und ich die einzigen Freiwilligen waren, kam es nicht mal zu einer Wahl. Ein eisiger Schauer überkommt mich. Gesichter und Stimmen entfernen sich von mir. Von nun an werde ich nicht nur alle sechs Wochen zur sogenannten Elternbeiratssitzung gehen müssen, sondern bin auch der engste Verbündete von „Snoozle-Schaukel“-Malte sowie erster Ansprechpartner der gesamten Soja-Sekte! Ich starre gedankenverloren auf den Wunschbaum. Die Stimmung wird ausgelassener. Man bedient sich nun auch am selbstgepressten Bio-Apfelsaft und den Dinkelplätzchen. Schließlich jauchzt Karin ein heiteres „Gibt’s noch Fragen?“ in die Runde. Ich erhebe mich mühsam aus der Zwergenstuhlstarre und stolpere Richtung Tür. Zu Schulzeiten hieß „Gibt’s noch Fragen?“ übersetzt so etwas wie „So, jetzt hab ich auch keinen Bock mehr, mir durch euch Rotzlöffel den Tag versauen zu lassen. Also wagt es ja nicht, irgendwas zu fragen, sonst knallt ́s! Und jetzt raus mit euch!“ Nicht so beim Elternabend der Regenbogengruppe ... Ich trotte zurück und falte mich erneut auf meinem Zwergenstuhl zusammen. Nach weiteren 90 Minuten ist der Spuk dann doch vorbei. Geistesabwesend folge ich der Herde erleuchteter junger Eltern. Die acht Stufen wollen nicht enden. Unten schwingt sich Malte auf sein grün lackiertes Damenrad, gibt mir die Hand und fragt, in welche Richtung ich denn muss. Wahllos deute ich in eine Himmelsrichtung. „Ach schade. Ich muss nach Nordosten“, sagt er und zeigt in die andere Richtung. Zwei Stunden später wälze ich mich schlaflos im Bett herum. Ich stelle mir vor, wie Malte vor ein paar Jahren neu in der Stadt war und per Stadtplan-Feng-Shui das bestmögliche Wohnviertel gewählt hat. Ich sehe Karin von einem riesigen Gymnastikball auf mich herabgrinsen und mit dem Finger auf mich zeigen. Dann sehe ich meine Tochter vor mir, milde lächelnd in einer „Snoozle-Schaukel“ „Vielleicht doch keine so schlechte Idee“, denke ich noch, und falle in einen tiefen Schlaf.
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Der Wunschbaum 26. Februar 2025
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Prüfungsstress? Schinde Zeit! 14. Februar 2025
Weg mit Social Media! Vielleicht bist du so diszipliniert und kannst dir selbst ein Zeitfenster geben, das du für sinnfreies Stöbern auf Instagram und Co. nutzt. In der Regel geht das allerdings schief. Also sei radikal und lösche während der Prüfungsvorbereitungen und Lernphasen konsequent alles, was dir Zeit und Konzentration raubt. Soziale Plattformen aller Art sind Zeit- und Nervenräuber Nummer Eins! Bilder vom Baliurlaub deiner Grundschulfreundin, Videos von duschenden Riesenmeerschweinchen und Alpakababys beim Frisör – an keine dieser Szenen wirst du dich lächelnd erinnern, wenn du in 50 Jahren auf dein Leben zurückblickst. Zudem schützt es dich vor unnötigen Vergleichen mit anderen, deren Leben in der Regel nicht viel mit dem zu tun hat, was sie in ihren Stories von sich preisgeben. Deaktiviere Push-News! Ein Zugunglück in Bangladesch? Der nächste erbärmliche Trump-Tweet? Ein neues Stadion für einen Fußballregionalligisten? Du verpasst rein gar nichts, keine dieser Informationen macht dich schlauer oder glücklicher und die wirklich relevanten Nachrichten erreichen dich früher oder später auf anderem Wege. Genau wie soziale Plattformen sind auch sämtliche News für dein Gehirn in etwa das, was Zucker für deinen Körper ist. Das klingt vielleicht übertrieben, ist aber medizinisch durchaus vergleichbar. Auf kurzfristigen Rausch folgen Unruhe und Leere. Vielleicht merkst du ja schnell, welch positive Auswirkungen die Endgerät-Entgiftung auf dich hat und kannst diese auch dauerhaft in deinen Alltag einbauen. Wenn du dich informieren willst, lies lieber ausführliche Hintergrundberichte und Sachbücher oder schau dir Dokus an. Aber Vorsicht: Auch hier kann man schnell von reißerischen Überschriften oder anderen Filmempfehlungen abgelenkt werden. Leichter entscheiden Die Wahl zu haben, klingt erstmal gut. Gibt es allerdings zu viele Auswahlmöglichkeiten, wird die Wahl schnell zur Qual, selbst bei einfachsten Alltagsentscheidungen. Wie oft hast du dich schon bei Netflix und Co. durch das endlose Angebot an Filmen und Serien gescrollt, um nach 20 Minuten vollkommen reizüberflutet noch keinen Schritt weiter zu sein? Selbst der Kauf von Shampoo überfordert dich bei 217 verschiedenen Marken und Special Editions? Weißt du auch nach 13 Erfahrungsberichten noch nicht, wo genau du nun Essen bestellst oder wohin es im nächsten Urlaub gehen sollte? Die riesige Auswahl an Möglichkeiten sehen viele zwar als eine Errungenschaft unserer Zeit, das menschliche Gehirn reagiert allerdings häufig mit Überforderung und Lähmung, die sich in kompletter Entscheidungsunfähigkeit niederschlägt. Dabei ist es übrigens recht egal, ob es um triviale Alltagsentscheidungen oder die vermeintlich großen Fragen geht. Sorge also dafür, dass deine Auswahlmöglichkeiten überschaubar bleiben. Weniger Apps auf dem Smartphone und weniger Meinungen von dir unbekannten Menschen können Abhilfe schaffen. Generell solltest du schon bevor du dich der Flut an Möglichkeiten stellst genau überlegen, was du eigentlich möchtest. Hast du erstmal eine Entscheidung getroffen, hadere nicht mit dir, sondern akzeptiere diese. Gib dich ruhig auch mal mit „okay“ zufrieden, anstatt zu überlegen, welche Wahl denn eventuell noch besser gewesen wäre. Du wirst es höchstwahrscheinlich sowieso nie erfahren. Gute Ablenkungen erkennen Andere Auswüchse des Prokrastinierens haben übrigens durchaus ein paar positive Seiten. Also falls du das Bedürfnis hast, zweimal täglich deine Bude zu wischen, deine Bücher alphabetisch zu sortieren oder mal wieder das alte, von den Eltern liebevoll kreierte Familienalbum durchzublättern: Tu es ruhig! Auch wenn es dich die eine oder andere Minute kostet. Dein Hirn jedenfalls bedankt sich, indem es dir neue Konzentration und Entspannung schenkt. aus „Campusgold“